Interviews Fernseh-Doku mit der Panasonic GH2:  Nachtschicht von Timo Großpietsch

Fernseh-Doku mit der Panasonic GH2: Nachtschicht von Timo Großpietsch

Merken: Am 18.10. um 23:55 läuft im NDR „Nachtschicht“ von Timo Großpietsch, der komplett auf einer Panasonic GH2 gedreht wurde. Wir hatten vorab Gelegenheit ein Interview mit dem Regisseur, Videojournalisten und One-Man-Operator Timo Großpietsch zu machen …

// 07:48 Mo, 17. Okt 2011von

Merken: Am 18.10. um 23:55 läuft im NDR „Nachtschicht“ von Timo Großpietsch, der komplett auf einer Panasonic GH2 gedreht wurde. Wir hatten vorab Gelegenheit ein Interview mit dem Regisseur, Videojournalisten und One-Man-Operator Timo Großpietsch zu machen …



 Still aus Nachtschicht von Timo Großpietsch mit der Panasonic GH2 gedreht
Still aus Nachtschicht von Timo Großpietsch mit der Panasonic GH2 gedreht


Was ist Nachtschicht für ein Film, worum geht es in Nachtschicht?



Geplant war Nachtschicht als beobachtender Dokumentarfilm – wir hatten ca. 60 Minuten Sendezeit angesteuert. Was ist mit den Menschen, die da draußen in der Nacht arbeiten? Was macht es mit Ihnen, wenn sie nur Nachts arbeiten? Das ist natürlich kein neues Thema. Sondern eher etwas, was man als Journalistikstudent als Übung macht. 



Ich glaube aber, dass man mit einer bestimmten Arbeitsweise, wie beobachtender Kamera als Videojournalist einfach andere Geschichten erzählen kann, ganz subjektiv. So kann man quasi jedes Thema wieder neu und spannend erzählen. 



War das ein Thema mit dem Du Dich schon länger beschäftigt hattest?



Mich hat das Thema "Maloche" und "Malocher", also Arbeiter, das harte, physische Arbeiten, was ja ein bißchen am Aussterben ist, schon immer interessiert. Wir hatten mal überlegt, überhaupt was über die Welt der körperlichen Arbeit zu machen: Was ist das eigentlich, was taugt die "Maloche" noch, was sind da für Veränderungen im Gange? Aber die Nacht war dann noch ein Tick extremer und das hat mich dann noch einen Tick mehr interessiert. Hier kommt die Dunkelheit dazu, die immer etwas unheimliches und geheimnisvolles hat. 



Wie bist du an Deine Protagonisten gekommen?



Zunächst mal suche ich mir Orte - spannende Orte, weil ich die Geschichten gerne von Orten aus erzähle. Also hab ich geschaut, welche Orte mich am meisten interessieren und hab dann geguckt, welche Menschen dort arbeiten und da führen natürlich dann unterschiedliche Wege hin. Es gibt Orte wie die Post, da muss man über die Pressestelle gehen und bekommt dann Menschen vorgeschlagen sozusagen. Ich gehe dann mit Ihnen Kaffee trinken und mache dann quasi innerlich so was wie ein Casting. Funktionieren die Charaktere für mich und vor der Kamera, finde ich sie interessant, lässt sich mit Ihnen eine Geschichte erzählen u.s.w. Pro Drehort, ich hatte ja 5 Drehorte, hatte ich dann 3-4 Personen und meistens wird es dann in den ersten Minuten klar, welche Figur die für mich spannendste ist. Und wenn sie Lust hatten, dann haben sie mitgemacht und dann ging`s los. Die Hürden waren letztlich unterschiedlich, bei der Post ging es über die Pressestelle, einen Taxifahrer muss du einfach finden – ich habe schon ein bißchen Hamburger Originale gesucht. Also Großstadttypen – das ging alles relativ zügig. Ich war selbst erstaunt, wie schnell ich meine Figuren gefunden hatte. Manchmal ist es auch einfach Glück.



Wieviel Zeit hast Du für die Planung des Films benötigt?



Die Recherche, Termine finden, verschieben, Vorgespräche etc. hat sicherlich einen Monat gedauert. Dann 15- 20 Drehtage. Bzw. Drehnächte über 2 Monate verteilt. Und dann sitzt man locker noch einen Monat an der Postproduktion – das sind dann aber auch verteilte Tage, so 15, 16 Schnitttage. Man muss das Projekt dann auch mal ne Woche liegen lassen und dann mit neuem Abstand ran gehen. Insgesamt liegen im Projekt so 3 Monate ohne Pause gerechnet drin. Der ganze Produktionszeitraum hat sich über 6 Monate erstreckt: Jan/Feb Recherche, März/April Dreh und den Sommer über geschnitten.



Das sind schon beachtliche Zeiten – gerade auch wenn man an das Budget denkt – hattest Du ein ausreichendes Budget zur Verfügung oder musstest Du viel Eigenleistung, Selbstausbeutung  mit reinnehmen?



Ich bin ja freier Mitarbeiter beim NDR. Wir haben so einen Rahmenvertrag mit dem NDR. Viele oder die meisten die Filme machen, sind ja feste Freie. Und da gibt es ein festes Honorar für so einen Film und das ist schon O.K., besonders wenn man an die Honorare der freien Kollegen von der Zeitung denkt. Die Honorare haben sich aber auch in den letzten Jahren nicht erhöht, also reich wirst Du nicht, aber man kann davon leben. Wer einen guten Dokumentarfilm machen will, kann aber nicht mit einem Achtstundentag rechnen. 





Gab es viel redaktionelle Betreuung von Anfang an oder konntest Du dein Ding eher frei durchziehen? Wie stellt man sich das vor?



Die zuständige Abteilung für mich dist ie Abteilung Dokumentation und Reportage - die ist der Kultur angeordnet und da hatte ich meine Redakteurin - das ist die Barbara Denz. Sie hatte mich da betreut und das war wahnsinnig gut. Sie hatte total Lust auf das Thema und ich arbeite da relativ eng zusammen. Da ich als Videojournalist arbeite, sprich: Alleine bin – fehlt mir das Korrektiv von Kameramann/Frau oder Cutter/Cutterin, der dir mal bei einem Problem helfen kann und einen Blick von Außen beisteuert. In diesem Fall war das die Redakteurin Barbara Denz und die Zusammenarbeit war super. Man zeigt immer mal wieder was und berichtet über den Stand der Dinge und spricht über das Projekt. So läuft man dann auch nicht Gefahr, etwas inhaltlich ganz anderes zu machen, als was sich der andere gedacht hat.



Technisch hat mich Roberto Tossuti, Kameramann und Videotrainer vom HR, beraten - er hat beispielsweise auch das Thema GH2 aufgebracht. Die dramaturgische Beratung hat Gregor A. Heussen und Olaf Jacobs gemacht. Als Videojournalist braucht man auch ein Team um einen guten Film zu machen. 




VJ Setup für Nachtschicht mit der GH2



Stand die Struktur von dem Film von Anfang an relativ fest, oder entstand sie eher später im Schnitt?



Das ist immer so fifty/fifty. Einfach nur losgehen und irgendwas filmen macht ja überhaupt keinen Sinn - man braucht ein Konzept. Ich hatte immer die Idee, eine Nacht abbilden zu wollen, aber nicht wie in einer klassischen Reportage. Ich wollte viel beobachtende Kamera, das braucht Zeit, sprich: mehrere Nächte pro Person, aber filmisch sollte das als eine Nacht abgebildet werden. Dann fängt man an zu recherchieren, welche Termine gibt es, welche Szene könnte man machen, aber dann schlägt die Realität die Planung. Solche Momente, wie wenn der Junge beim Taxifahrer einsteigt und singt, und dann nicht bezahlen will, so was ist ja unmöglich zu planen. Das ist einfach Reporterglück. Der Film selbst richtet sich dann nach dem gedrehten Material, geblieben ist aber der rote Faden: eine Nacht – die Sonne geht unter, am nächsten Morgen geht sie wieder auf und der Film ist zu Ende.



Die Interview-Ankerblöcke geben Struktur.. von der Kamera her statisch, klassisches Interview ...



Also zum einen gab es die teilnehmende Beobachtung, wo die Kamera soweit es geht, den Menschen nicht stört und authentische Szenen aufnimmt, und zum anderen eben die Interviews, die ich geführt habe um mehr Tiefe in den Film zu bekommen und die Personen plastischer werden zu lassen. Ich wollte den Film ohne Text machen, also ein bißchen offener, lasse entsprechend die Menschen sprechen. Da passiert ja auch relativ viel im Off. Ich habe die O-Töne mittig eingesetzt, und das war für mich völlig neu.



 Interview-Setup für Nachtschicht mit Kinoflos
Interview-Setup für Nachtschicht mit Kinoflos


Ich konnte mich ja direkt hinter die kleine Kamera setzen, ohne großes Setup und konnte über die Linse drüber schauen, so sieht es aus als würden die Leute direkt in die Kamera sprechen. Sie sitzen mittig und sprechen direkt in die Kamera, das hat beinahe was vom im Beichtstuhl sitzen. So waren diese Interviews ein richtiger Ruhepol wenn man sie dazwischen schneidet.



Du hattest die Kamera also genau vor Deinem Gesicht, und vor ihrem Gesicht platziert?



Genau, im Endeffekt war die Linse meine Nase. Das war nur möglich, weil die Kamera so klein ist, denn bei normalen großen Kameras kann man sich ja nicht direkt dahinter setzen.



Auf das technische Setup der GH2 gehen wir gleich nochmal etwas genauer ein. Kannst Du noch etwas sagen zu dem Wechsel zwischen Handkamera und der Stativarbeit? Das ist ja relativ ausgeprägt.



Also ich drehe sehr gerne aus der Hand, aber ich glaube, es sollte immer die Geschichte entscheiden, wie gedreht wird. In den physischen Szenen, in denen hart gearbeitet wird, in denen viel passiert und viel Bewegung ist, da bin ich auf der Handkamera. In Sachen wo es hohe Punkte gibt, wo es ein Ausruhen gibt, da drehe ich häufig vom Stativ. Da ich alleine bin, gibt es natürlich auch öfters Momente, wo ich gerne das Stativ hätte, aber ich schon 500 Meter mit dem Protagonisten mitgelaufen bin und mein Stativ steht irgendwo da hinten. Ich hab ja keinen Assistenten der mir dann das Stativ bringt, das ist also ein Nachteil den man dann mal hat. Aber wenn es geht, dann schau ich immer, was passiert, was treibt meine Geschichte an, was ist die Handlung. Und ich finde, zu harter Arbeit passt irgendwie auch eine Handkamera.





Still aus Nachtschicht von Timo Großpietsch mit der Panasonic GH2 gedreht
Still aus Nachtschicht von Timo Großpietsch mit der Panasonic GH2 gedreht


Du warst also immer komplett alleine beim Dreh – Du, die Kamera und die Protagonisten?



Genau, ich drehe ausschließlich alleine, es gibt keine Assistenten, und schneiden tu ich das Ganze auch alleine. Der Vorteil daran ist, daß jegliche Kommunikation zwischen Protagonisten und Autor nur zwischen uns beiden stattfindet und niemand mehr dazwischen ist. Es ist nicht das Fernsehen, daß da auftritt, der Autor, der Kameramann, sondern man muß alles selbst mit dem Protagonisten besprechen – “Ich brauche mal ne Pause”, “Wo kann man denn man was essen” usw. – und das schafft ganz schnell eine intime Situation. Natürlich kann man solche Filme auch mit einem normalen EB-Team drehen, gar kein Problem, aber das werden dann andere Filme. Wenn man als dokumentarischer Videojournalist einen solchen Film dreht, wird das natürlich sehr subjektiv, und das ist eine andere Handschrift.



Jetzt hat die Wahl der Kamera da ja einen großen Einfluß gehabt. Vielleicht kannst Du mal kurz schildern wie Du überhaupt zur Panasonic GH2 gekommen bist?



Ursprünglich wollte ich mit der HPX171 von Panasonic drehen - das ist die VJ-Kamera, die wir immer benutzen. Die hat natürlich ne riesige Schärfentiefe. Ich kannte den Canon 5D-Hype und habe überlegt, was man damit so machen könnte, etwa die Interviews, und dann habe ich damit rumexperiementiert. Habe mich viel mit Roberto Tossuti vom HR unterhalten, der gerade die GH2 getestet hatte, und er meinte, das wär ein riesen Ding. Daraufhin habe ich viele Tests gelesen und dabei gemerkt, daß die Videofeatures der GH2 für mein Projekt genau richtig sind, auch in Kombination mit den anderen technischen Merkmalen, also daß sie schön klein ist, daß es die Möglichkeit gibt, mit alten Optiken zu drehen, das Preis/Leistungsverhältnis stimmt, es gibt eine Tonpegel-Anzeige, Moiré und Aliasing hat die Kamera ganz gut im Griff. Als ich das alles hörte, habe ich sie mir gekauft, ich brauchte eh einen Fotoapparat, und habe mich peu à peu in den Look verliebt und dachte, ich will jetzt nicht nur die Interviews damit machen, sondern ich will jetzt versuchen den ganzen Film damit zu drehen.




VJ-Setup für Nachtschicht mit der GH2 mit Beachtech



Jetzt sagen natürlich alle, eine Doku mit einer Groß-Chip Handkamera zu drehen, das sei eigentlich nicht zu machen, weil die Schärfentiefe so gering ist. Klar ist das so, aber möglich ist es trotzdem, man muß nur aufpassen, welchen Look man da verkauft. Ich habe einfach mal ein paar Tests gemacht, bin die mit meiner Redakteurin durchgegangen, und sie fand den Look auch super. Also haben wir uns auf das Abenteuer gestürzt mit der GH2.



Hat Dir slashCAM bei Deinen Recherchen zur GH2 geholfen?



Na klar, Eure Tests hab ich auch gelesen – ich bin eh beinahe jeden Tag bei Euch um zu gucken, was es Neues gibt... Man muß auch sagen, ich bin schon ein kleiner Technik-Nerd, ich finde das alles super was mittlerweile möglich ist, aber das muß man auch sein. Ich sage mal so: Man sollte sich nicht auf ein solches GH2-Abenteuer einlassen, wenn man nicht gerne an Technik bastelt. Heutzutage kann man mit der 101 drehen, die wurde damals aber noch nicht ausgeliefert, und ich mußte ja auch alle professionellen Parameter erfüllen, Ton etc., das ist mit einer GH2 natürlich relativ sportlich.



Zum Ton kommen wir gleich – wir lange hast du denn gebraucht, um mit der GH2 klarzukommen? Du mußt ja in der Drehsituation sicher im Umgang damit sein.



Das fing bei mir ganz banal an, nämlich daß alle Familienmitglieder von mir mit der Kamera verfolgt wurden. Ich merkte aber recht bald, daß ich mit der Kamera schnell gut klar komme - selbst bei der Handkamera bekam ich relativ schnell die Schärfe, das Display ist ja gut. Daher habe ich mich ja auch erst getraut, damit zu drehen.



Kannst Du mal das technische Setup beschreiben, zum Beispiel mit welchen Optiken Du gedreht hast?



Ich hatte ein großes Setup an Optiken, habe aber 80-90% mit dem Nokton gedreht, und da es bei mit ja häufig dunkel war an den Drehorten auch fast alles mit offener Blende, also 0,95, das Ding ist ja wirklich ein Lichtmonster. Dadurch hatte ich natürlich wahnsinnig wenig Schärfentiefe. Dann ein Vario ND Filter vorne drauf. Den Ton habe ich mit dem Beachtech SLR geregelt, dazu eine G3 Funkstrecke von Sennheiser am Protagonisten und ein Richtmikro NTG3 oben auf die Kamera. Aber ohne Rigg, das wollte ich nicht, da es mich einschränkt und die Kamera schwer macht. Ich habe einfach einen Blitzschuh-Adapter da oben drauf gehabt, fertig.



Ein entsprechend leichtes Setup also, was man auch über eine längere Zeit aus der Hand heraus bedienen kann.



Genau so ist es – wir VJs brauchen eine leichte Ausrüstung. Es bringt überhaupt nichts, wenn so ein Ding 4-5 Kilo wiegt, wie eine EX3, da hat man ja praktisch eine Schulterkamera. Wir wollen eine bewegte, kleine Kamera haben, die es einem ermöglicht, schön klein und leicht zu arbeiten. Und noch was: Man wird damit nicht für voll genommen, die Leute denken ja, was ist das denn für ein Amateur, was für unsere Zwecke natürlich manchmal super ist. Wir haben auf Tanzflächen gedreht, im Taxi... Selbst wenn man denen sagt, wir sind vom Fernsehen, das wird gesendet, sind Sie damit einverstanden. Ich glaube schon, daß viele denken, „was ist das denn für ne Kamera, jetzt machen sie schon Fernsehen mit einem Fotoapparat“. Das führt aber zu Situationen, in denen die Protagonisten sich manchmal authentisch sehr weit aus dem Fenster lehnen, und das freut einen Dokumentarfilmer natürlich.





Still aus Nachtschicht von Timo Großpietsch mit der Panasonic GH2 gedreht
Still aus Nachtschicht von Timo Großpietsch mit der Panasonic GH2 gedreht


Nochmal kurz zurück zu den Linsen: Alte FD-Optiken von Canon mit Novoflex-Adapter an die Mühle. Alles schön weit offen: Also 1.2er Optiken mit einer ganz weit offenen Blende, super-altes Glas, aber die Dinger zeichnen super und ich hab ab und zu das Weitwinkel von Panasonic genutzt, weil bei den Weitwinkeln mangelt es natürlich bei den alten Objektiven wegen des Cropfaktors, habe hier das Panasonic Pancake 14mm benutzt, Blende 2.5 und dann in der Post einen leichten Blur draufgelegt, weil die Dinger im Vergleich zu den älteren Optiken so scharf sind, dass es stark auffällt, wenn du die kombinierst.



Die Drehs beim Taxi habt ihr sowohl von Außen als auch von Innen gemacht?



Ja, früher haben wir für die Drehs von Außen eine GoPro oder irgendeine kleine Kamera außen draufgeschraubt und heute kannst du so`n „Fotoapparat“ auf einem Saugnapfstativ überall ranpflanzen und das Ding hält, weil es kaum Eigengewicht hat. So konnte ich die Kamera überall außen am Auto anbringen. Innen war ich auf dem Beifahrersitz und habe nur Handkamera gemacht, mit der ich nach hinten geschossen habe...


Wenn Protagonisten nicht mehr in der Lage waren, ihre Persöhnlichkeitsrechte zu schützen, habe ich viel mit Unschärfe gearbeitet.



Habt ihr die Unschärfe nachträglich hinzugefügt?



Nein, das habe ich gleich so gedreht. Eine Autorenentscheidung in der Situation. Bei dem Betrunkenen im Taxi habe ich mich gleich entschlossen, ihn unscharf zu drehen, um seine Persönlichkeitsrechte zu wahren. (Obwohl er mehrfach eingewilligt hatte, gefilmt zu werden – aber er hatte für eine klare Entscheidung doch etwas zu viel getrunken). Also hab ich die Schärfe auf die Lehne des Taxifahrers gelegt und so ist er dann komplett unscharf und der Film verliert nicht seinen Look. Man muss das dann nicht in der Post machen.



Die Unschärfe in Verbindung mit den Protagonisten ist fast zu einer Art Stilmittel geworden...



Ja, ich wollte ja kein wildes voyeuristiches Privatfernsehen machen … natürlich passieren da in der Nacht Dinge, wo du denkst: Mein Gott, das kenne ich ja nur aus irgendwelchen Voyeur-Doku-Soaps. Das Wollte ich auf gar keinen Fall. Ich denke, dass wir als öffentlich-rechtliches Fernsehen da auch anders reagieren sollten: Sich entweder physisch abwenden mit der Kamera oder halt, wie in diesem Fall, den großen Chip der Kamera für Unschärfe nutzen.



Was für ein Format hast Du gedreht?



Weil die GH2 ja immer noch kein 25p macht, habe ich mich für 720/50p entschieden, so habe ich den Kinolook und habe trotzdem keinen Shutter von 25p, der durch Ruckeln nervt, hab also ein fließendes Bild .. klar keine volle HD-Auflösung, aber wir waren mit dem Ergebnis im Schneideraum, nachdem wir es auf 1080 hochgezogen hatten, relativ zufrieden. Klar könnte da noch mehr gehen.



Worauf habt Ihr geschnitten?



Geschnitten wurde das ganze Projekt auf Final Cut Pro. Danach wurde es gemischt in einem Mischstudio beim NDR und dann ging es noch in die Farbkorrektur (Hardware Color Grading) und wurde letztlich auf XDCAM und HD Cam SR ausgespielt.



Wieviel Material hattest Du letztendlich und wie war das Drehverhältnis?



Das Drehverhältnis war 1:18. Ich hatte 18 Stunden Rohmaterial, welches wir in Apple ProRes 4:2:2 gewandelt haben. Allerdings komprimiert die Kamera grundsätzlich zu stark. Wir brauchen fürs Fernsehen 4:2:2 / 50 Mbit/s – dann hat man auch in der Farbkorrektur mehr Puffer. Man muss mit 17Mbit/ 8 Bit natürlich wahnsinnig genau belichten, weil Du hast hier kaum Spielraum. Wenn die Redaktion sagt, für die Geschichte ist es OK die kleine Kamera mit der geringen Datenrate zu nehmen, dann kannst du das machen, aber ansonsten gilt halt fürs Fernsehen 50 Mbit/s, 4:2:2.



Mittlerweile werden ja bereits Spielfilme auf dem Handy gedreht – die Miniaturisierung von Videotechnik schreitet immer weiter voran – ergeben sich daraus neue Filme, neue Dokumentarfilme?



Die digitale Technik demokratisiert ganz klar – es erlaubt Leuten, die nicht soviel Geld haben, Filme zu machen. Und das ist was tolles. Es können Menschen Geschichten erzählen, die bislang nicht die Mittel dazu hatten. Das negative daran ist, dass jeder jetzt glaubt, er sei ein Videojournalist nur weil er ein Wochenendkurs gemacht hat – aber das „schützt“ dich nicht vor dem Geschichten erzählen: Du kannst die teuerste Ausrüstung haben und Millionen von Optiken, die tollste Kamera … wenn Du keine Geschichte erzählen kannst, dann bringt Dir das überhaupt nichts. Das Handwerk des Geschichtenerzählens ist wichtiger als die Technik.



Timo, vielen Dank für das Interview!


Wer sich einen ersten Eindruck von Nachtschicht verschaffen möchte, findet hier den Trailer zum Film:









Update: Und hier nun auch der Film in voller Länge online::



http://www.n-joy.de/leben/nachtschicht165.html



Nachtschicht ist am Dienstag, d. 18.10. um 23:55 im NDR zu sehen – sehenswert!


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